Daten zum lebensgeschichtlichen Interview
Name der Interviewten: Inge Hügenell
Aufnahmedatum: unbekannt
geführt von: Wolfgang Peschel
Dauer: 93 Minuten
Transkription: vorhanden, 41 Blatt
Signatur:
AdMAB, Slg. Zeitzeugen, Interview Inge Hügenell
Inhalt
Elternhaus und Kindheit
Inge Hügenell (geb. Körnlein), geb. 10. März 1927 in München;
Vater, geb. 1893 in Libau im Baltikum; Bäcker; Während des Ersten Weltkriegs Internierung in Sibirien; Mitgliedschaft in Gewerkschaft, SPD, Arbeitergesangverein;
Mutter, geb. 1889 in Libau im Baltikum; Erzieherin in Wilna; Während des Ersten Weltkriegs Büroarbeit bei Polizei in Libau;
1918 Heirat der Eltern; Mussten 1918 Baltikum verlassen; Verschiedene Flüchtlingslager; Seit 1924 München;
Bis 1931 wohnhaft in Rosenheimer Straße; Feuchtes Zimmer im Untergeschoss einer Fabrik;
Arbeitslosigkeit und Gelegenheitsarbeiten des Vaters;
Sparzwang und unzureichende Ernährung; Zweimaliger Erholungsaufenthalt Hügenells aufgrund der Unterernährung; Mangel an Heizmaterial;
Tagesablauf in einer Arbeiterfamilie; Essens- und Einkaufsgewohnheiten der Familie; Kleidung (Mutter nähte Kleidung häufig selbst);
Freundschaften Hügenells;
Feierlichkeiten: Maifeiern in der Menterschwaige; Weihnachtsfeiern im Kolosseum;
Freizeit: Ausflüge auf Taubenberg mit Arbeitergesangverein; Ausgedehnte Radtouren mit Eltern mit Übernachtungen in Heuschobern; Tagesausflüge; Kartenspiele; Schwimmen; Tennis; Kinobesuche; Lesen (Familie war sehr belesen; Besuch der Bibliothek im Gewerkschaftshaus in der Pestalozzistraße);
Spielzeug: Teddybär; Puppe mit Puppenwagen; Roller;
1931 Umzug nach Obersendling, Tulpenweg;
1931 Vater bekam feste Arbeit bei Bäckerei Seidel;
Erzählungen über handfeste Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Nationalsozialisten, aber auch Sozialdemokraten und Kommunisten;
Schulausbildung und „Pflichtjahr“
März 1933 Einschulung; Boschetsrieder Schule (Simultanschule); Lehrkräfte und Unterricht im Dritten Reich; Ausführungen zum Religions- und Sportunterricht;
Benachteiligung aufgrund der politischen Gesinnung des Vaters (insbesondere, als sich Hügenell um Stipendium für weiterführende Schule bewarb und abgelehnt wurde); Aufgrund Höhe des Schulgelds Besuch der Mittelschule oder des Gymnasiums nicht möglich;
Kein Engagement bei Hitlerjugend oder Bund Deutscher Mädel;
1941 Absolvieren des „Pflichtjahres“ im Haushalt einer Familie; Besuch der Hauswirtschaftsschule;
Kaufmännische Lehre bei Firma Siemens
April 1942 kaufmännische Lehre bei Firma Siemens; Besuch der kaufmännischen Berufsschule; Lehrlingsgehalt;
Inhalte der Ausbildung; Arbeitszeiten und Tagesablauf;
Lehrlingsbeauftragter bei Siemens war überzeugter Nazi; Flaggenhissungen und Hitlerehrungen;
Als Luftangriffe auf München zunahmen, Tätigkeit Hügenells in Luftmeldezentrale, die bei Firma Siemens in Hoffmannstraße eingerichtet worden war;
Arbeitseinsatz von Fremdarbeitern bei Firma Siemens; Misshandlungen und schlechte Ernährung; Unterstützung der Fremdarbeiter durch Hügenell sowie andere Mitarbeiter durch heimliches Zustecken von Lebensmitteln;
1944 Teilnahme am „Reichsberufswettbewerb“ für Siemens; Hügenell wurde „Gausiegerin“; Fahrt nach Straßburg zum Treffen der „Gausiegerinnen und -sieger“;
Juli 1944 schwerer Luftangriff auf München;
Fremdarbeiterlager in Obersendling, in dem sowjetische Zwangsarbeiter festgehalten wurden; Familie Hügenell schlich sich nachts zum Lager, um den Gefangenen Brot zuzustecken;
Alltag in den Nachkriegsjahren
1945/46 Mangel an Lebensmitteln und Waren; Menschenschlangen vor den Geschäften; Währungsreform;
September 1950 Heirat; Hügenell hatte ihren Ehemann 1949 auf Gründungskongress des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kennengelernt;
Bezug einer Gewerkschaftswohnung in Giesing; Anschaffungen in der Nachkriegszeit;
1953 Geburt des Sohnes; 1955 Geburt der Tochter;
Arbeit für die Gewerkschaften
Bis Dezember 1946 Beschäftigung bei Firma Siemens;
Betriebsversammlung nach Kriegsende; Januar 1946 Wahl eines Betriebsrats; Werben von Mitgliedern für entstehende Gewerkschaften durch Gewerkschaftsaktivisten;
Januar 1946 Beitritt Hügenells zur IG Metall;
Dezember 1946 Beginn der hauptamtlichen Arbeit beim Vorläufigen Ausschuss der bayerischen Gewerkschaften im Gewerkschaftshaus in der Landwehrstraße;
Arbeit in Organisationsabteilung bei Kollege Scheller am Aufbau des Bayerischen Gewerkschaftsbundes; Verwaltungstätigkeiten; Gewerkschaftszeitung;
Maikundgebung 1946;
Demonstrationen für bessere Entlohnung und Arbeitszeitverkürzung; Demonstration gegen Firma Brenninkmeyer;
Gründung des Bayerischen Gewerkschaftsbundes; Weiterhin Mitarbeit in Organisationsabteilung, die von Ernst Grünzner übernommen wurde; Gründung des DGB;
Später Beschäftigung bei IG Metall;
Sonstiges politisches oder gesellschaftliches Engagement
1948 Eintritt in SPD (allerdings bereits zuvor für die Partei engagiert); Schriftführerin; Wahlhelferin; Wahlversammlungen; Kommunalwahlen in München;
1972 Stadträtin;
Engagement bei Arbeiterwohlfahrt Giesing, Naturfreunden, Falken, Verein zur Erhaltung und Pflege des Perlacher-Grünwalder-Forstes sowie Verein der Freunde Giesings;