Daten zum lebensgeschichtlichen Interview
Name des Interviewten: Martin Löwenberg
Aufnahmedatum: 5. und 10. Februar 1990
geführt von: Claudia Brunner-Gerstenberg
Dauer:
Transkription: vorhanden, 62 Blatt
Signatur: AdMAB, Slg. Zeitzeugen, Interview Martin Löwenberg
Inhalt
Elternhaus, Kindheit und Jugend
Martin Löwenberg, geb. 12. Mai 1925 in Breslau;
Kindheit und Jugend in Breslau;
Vater war Postbeamter/Postschaffner; Säkularer Jude; Funktionär der SPD; Vorsitzender der Gewerkschaft der Postbeamten und Angestellten im Gebiet Niederschlesien;
Mutter war gelernte Verkäuferin; SPD und Gewerkschaftsmitglied;
1 Bruder, Fred Löwenberg, geb. 1924;
Volksschule (8 Jahre);
Landwirtschaftliche Lehre; Musste als sogenannter jüdischer Mischling ersten Grades Ausbildung abbrechen;
Kaufmännische Lehre in Lederwarenfabrik; Nach Abschluss der Ausbildung noch 1 Jahr bei dieser Firma beschäftigt;
Benachteiligung und Diskriminierung Löwenbergs in Schule sowie Sportverein (Ausschluss von Flaggenhissung und Hitlerehrung; Teilnahme an Meisterschaften des Boxvereins nicht möglich, da Mitgliedschaft in Hitlerjugend (HJ) Voraussetzung war);
Familie litt unter NS-Rassengesetze von 1935; Probleme, Bezugsscheine und Lebensmittelkarten zu erhalten;
Deportation, Internierung, Zwangsarbeit
4. Mai 1944 Aufforderung, sich zwecks Zwangsverpflichtung bei Organisation Todt an Bahnhof Breslau einzufinden; Zusammenstellung eines Transports mit rd. 3000 Personen; Mehrtägige Fahrt in Waggons nach Frankreich; Auffanglager;
Lager Villerupt; Arbeitseinsatz bestand in Erweiterung der Stollen eines ausgedienten Bergwerks; Erschießungen „auf der Flucht“; Schlechte Ernährungssituation; Sehr schlechte Behandlung der ungarischen Juden u. sowjetischen Häftlinge;
Außenlager Leitmeritz;
Evakuierung nach Teplitz-Schönau gg. Kriegsende; 8. Mai 1945 Befreiung durch
sowjetische Truppen; Aufbruch nach Breslau;
Rückkehr nach Breslau 1945
Ende Mai bis Sept. 1945 Aufenthalt in Breslau; Vorfinden der Mutter; Haus war nicht zerstört worden; Eintreffen einer Nachricht vom Bruder (war im KZ Buchenwald interniert worden; Nach Kriegsende Aufenthalt in Leipzig);
Politisches Engagement Löwenbergs in Antifa-Komitee; Organisieren eines Fußballspiels; Zusammenstellung von Transporten nach Deutschland; Sept. 1945 Aufbruch Löwenbergs Richtung Leipzig;
Reise nach Leipzig und Berlin
In Leipzig Treffen mit Bruder;
Fahrt nach Berlin, um Verwandte des Vaters zu suchen; Niemand konnte Auskunft über deren Verbleib geben (Großteil der Verwandtschaft des Vaters war im Holocaust ermordet worden);
Tätigkeit in Weißenfels
Aufenthalt in Weißenfels an der Saale; Antifa-Komitee;
Arbeit als Kalkulator in Schuhfabrik;
Gewerkschaftlich organisiert bei Verband der Lederarbeiter;
Sept./Okt. 1945 Eintritt in SPD; Teilnahme an Parteiversammlungen; Prozess der
Vereinigung von SPD und KPD zur SED; Kritik am Terminus „Zwangsvereinigung“,
basierend auf persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen Löwenbergs;
Umzug nach Habach, Kreis Weilheim
Nachricht, dass Mutter inzwischen auf Bauernhof in Habach, Krs. Weilheim, wohne; Entschluss, zur Mutter zu ziehen; Antrag auf Umsiedlung; Zuzugsgenehmigung; Aug./Sept. 1947 Umsiedlung von Weißenfels in sowjetischen Zone nach Habach, Krs. Weilheim, in amerikanischen Besatzungszone;
Engagement bei SPD, Ortsgruppe Penzberg;
Engagement bei VVN, Kreis Weilheim;
4-wöchiger Aufenthalt in KZ-Erholungsheim Kainzenbad bei Garmisch-Partenkirchen;
Aushilfsarbeiten im Sägewerk und Mühlenbetrieb des Bauernhofs in Habach; Unbefriedigende berufliche Perspektive;
München ab Oktober 1948
Okt. 1948 Umzug nach München; Möbliertes Zimmer in München-Untersendling, Abelestraße; Arbeit bei Fa. Jopa-Eis Josef Pankofer;
Verhältnisse in München in den Jahren 1948/49 (Großer Teil der Bausubstanz zerstört; Aufbauarbeiten);
Mitgliedschaft bei Gewerkschaft Nahrung und Genuss;
Engagement bei SPD Sendling; Übernahme von Funktionen;
Vorsitzender der Jungsozialisten Sendlings;
Aufbau einer Baracke als Jugendheim für die Jungsozialisten des Kreisverbands Sendling auf dem Valleyplatz; Beschaffung des Inventars; Mitgliederversammlung der SPD München-Sendling im Jugendheim;
Teilnahme an 2-wöchigem SPD-Lehrgang auf Schloss Aspenstein als Vertreter der Sozialdemokraten Münchens; Erwähnung von Wilhelm Hoegner, Waldemar von Knöringen, Gottlieb Branz, Neumann;
Aufkeimen erster Konflikte zwischen Löwenberg und SPD; Ursachen: Kontroverse Auffassungen über Rolle der sowjetischen Besatzungsmacht und Verhältnis zur KPD sowie Mitgliedschaft und Funktionsausübung Löwenbergs bei VVN;
Parteipolitische Konflikte in Gewerkschaften: Nach Kriegsende Forcierung der parteipolitischen Neutralität in Gewerkschaften; Mit Beginn des Kalten Krieges Ausgrenzung der Kommunisten; „These 37“ der KPD; Kommunistische Gewerkschaftsfunktionäre sollten Reverse unterzeichnen, „These 37“ nicht anzuerkennen und in Gewerkschaften keine kommunistische Politik zu verfolgen; Entlassung einer Vielzahl kommunistischer Funktionäre; Einige Kommunisten unterschrieben Revers und blieben hauptamtlich bei Gewerkschaft;
Oppositionsgruppe im DGB-München; Flugblätterverteilung auf DGB-Gründungskongress in München;
Aufgrund Löwenbergs Engagement für VVN-Sektion in Sendling Kontakte zu KPD-Mitgliedern (Hugo Jakusch; Kasimir Dickenhöfer (?) [vmtl. Kasimir Dittenheber]; Josef Geiger; Josef Gall);
Ausschluss Löwenbergs aus SPD: Ende 1940er Jahre parteiinterne Auseinandersetzungen über Frage der Wiederbewaffnung sowie Kontroverse über grundsätzliche Ziele und Politik der SPD („alte sozialistische Positionen“ vs. „reformerische opportunistische Positionen);
Anschluss Löwenbergs an Oppositionsgruppe innerhalb der SPD; Bildung der „Sozialdemokratischen Aktion“ (SDA); Teilnahme der oppositionellen Sozialdemokraten bei SPD-Veranstaltungen, um dort ihre Positionen darzulegen;
Zeitgleich: Unvereinbarkeitsbeschluss der SPD, wonach SPD-Mitglieder nicht zugleich VVN angehören durften;
Aufforderung durch Parteivorstand, aus VVN auszutreten sowie Mitarbeit bei SDA zu beenden; Ablehnung durch Löwenberg;
21./22. Dezember 1950 schriftliche Mitteilung über Sofortausschluss Löwenbergs aus SPD;
1951 Beschluss zur Durchführung einer Volksbefragung zur
Remilitarisierung und über Abschluss eines Friedensvertrags mit Deutschland;
Verbot der Befragung als verfassungsfeindlich in Bundesrepublik unter Kanzlerschaft
Adenauers;
Bildung von Gruppen (auch in München), die trotz des Verbotes die
Volksbefragung durchführten; Beteiligung von 9 Mio. Menschen an Volksbefragung
in BRD; Verhaftungen und Strafverfahren
1951 Verbot einer Veranstaltung der KPD im Franziskaner Keller zu Themen Remilitarisierung und Wiedervereinigung; Handgreifliche Auseinandersetzungen mit Polizei;
Vorurteile/Gerüchte, Löwenberg werde vom „Osten“/der DDR finanziert;
Bemühungen, wieder in die SPD aufgenommen zu werden;
Heirat; 1954 Umzug in die Chiemgaustraße;
Angaben zu folgenden Personen: Gustav Schiefer (Gewerkschafter); Franz Gockl (SPD); Theo Eisgruber (SPD, Stadtrat in München); Heinz Göhler (Landessekretär der SPD); Rosa Aschenbrenner (KPD, noch vor 1933 Wechsel zur SPD, Stadträtin in München); Thomas Wimmer (Oberbürgermeister); Rolf Reffenloff (SPD) (?) [evtl. Rolf Reventlow (?)]